Der Einbruch der türkischen Lira hat noch keinen Halt erreicht – deswegen sichern viele türkische Staatsbürger ihr Kapital mit Gold ab. Investoren, die ihre Anlagen in Euro halten, haben durch den Goldboom nun sogar Chancen in der Türkei.
Goldboom hält die Lira über Wasser
Der Kursverfall der Lira wurde zu Anfang der Woche durch die Aussicht auf eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit durch Standard & Poor’s beschleunigt. Die US-Ratingagentur hat ihren Ausblick für die Türkei von „stabil“ auf „negativ“ reduziert. Zurzeit wird die Türkei mit „B+“ eingestuft, d.h. sie befindet sich bereits im spekulativen Sektor.
Die türkische Zentralbank hat in der Vergangenheit zwar versucht, die Lira durch den Verkauf von Dollar aus ihren eigenen Reserven zu stabilisieren, jedoch konnte dies den Druck auf die türkische Währung nur bedingt verringern. Eine kräftige Gegenreaktion wäre zu erwarten gewesen, wenn die Zentralbank ihre Maßnahmen am Devisenmarkt mit der Erwartung von Zinserhöhungen verbunden hätte.
Die türkische Zentralbank reagiert unkonventionell
„In Anbetracht einer Inflationsrate von über 21 Prozent im Lande müsste man eigentlich damit rechnen, dass die Zinsen angehoben werden“, so der Geschäftsführer der Finanzinvest Consulting GmbH Werner Biberacher. Diese Strategie nutzen auch zahlreiche Zentralbanken in anderen Schwellenländern, um den Druck der Inflation zu bekämpfen.
Doch in der Türkei passiert genau das Gegensätzliche. Einer Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters zufolge rechnen Ökonomen damit, dass die türkische Zentralbank ihren einwöchigen Repo-Satz erneut senken wird, nämlich von gegenwärtig 15,0 auf 14,0 Prozent. Bei sogenannten Repo-Geschäften werden Wertpapiere, meist Staatsanleihen, für einen festgelegten Zeitraum verkauft. Der Verkäufer verpflichtet sich allerdings direkt zu einem Rückkauf zu einem vorher festgelegten Termin. In der Zwischenzeit kann dieser allerdings über das so gewonnene Kapital verfügen. Seit 2016 liegt die durchschnittliche jährliche Inflation in der Türkei im zweistelligen Zahlenbereich – und damit deutlich über dem offiziellen Ziel in Höhe von fünf Prozent.
Gold hält die Wirtschaft über Wasser
Es ist gut, dass die Türken nicht nur ein sehr fleißiges Volk sind, sondern durch ihre Tradition und ihre langjährige Erfahrung mit hoher Inflation auch eine sehr ausgeprägte Affinität zu Gold haben.
Seit Jahresbeginn hat Gold sogar die inländische Kaufkraft gesteigert und die Währungsverluste gegen den Euro größtenteils ausgeglichen. „Durch den Goldboom ist der Goldpreis in Lira seit Beginn des Jahres um 80 Prozent gewachsen, ebenso wie der Euro in Lira“, berichtet der Vorstand der Gold to go AG Peter Steiner.
Obwohl die türkischen Wertpapiere an der Istanbuler Börse neue Höchststände erreichten, waren diese nur begrenzt von Erfolg gekrönt. In Lira wuchs der türkische Index ISE National 100 um ganze 42 Prozent, in Euro gerechnet ergab sich unter dem Strich ein Verlust von ungefähr 17 Prozent.
(FA)