Goldpreis unter Manipulationsverdacht – seit Jahresbeginn ist der Preis des Edelmetalls um rund 6 Prozent gefallen – trotz niedriger Zinsen, Inflation und explodierender Staatsverschuldung.
Eigentlich sollten gerade glänzende Zeiten für Edelmetalle anstehen. Das Wirtschaftswachstum fällt in diesem Jahr geringer aus als erwartet: Das ifo Institut senkte am Dienstag seine Jahresprognose um 0,8 Prozentpunkte auf 2,5 Prozent. Grund sind die anhaltenden Angebotsengpässe. Auch die Inflation zieht an – die Verbraucherpreise stiegen zuletzt um 3,9 Prozent, die Erzeugerpreise sogar um 12 Prozent. Dennoch hat Gold bisher nicht davon profitiert. Der Preis liegt mehr als 100 US-Dollar niedriger als zu Beginn des Jahres.
Edelmetallanalyst Dimitri Speck geht davon aus, dass der Preis auch aufgrund von Manipulationen gefallen ist.
„Der Preis wird manipuliert, um die Sparer angesichts steigender Inflationsraten zu beruhigen“
Dieses Motiv habe der ehemalige Fed-Vorsitzende Alan Greenspan bereits am 18. Mai 1993 auf einer Fed-Sitzung genannt. „Damals überlegte er, Gold zu verkaufen, damit das ‚Thermometer‘ – also der Goldpreis – nicht ‚die zugrundeliegende Psychologie‘ beeinflusst – und letztlich das Verhalten der Marktteilnehmer verändert“, erklärt Speck. Das bedeutet also, dass bei einem zu starken Anstieg des Goldpreises Inflationsängste aufkommen und die Menschen ihr Vertrauen in Dollar, Euro und Co. verlieren könnten. Genau das wollen die Zentralbanken verhindern.
Laut Markbeobachter steht der Goldpreis unter Manipulationsverdacht
Erst vor wenigen Wochen kam es an den asiatischen Börsen zu einem auffälligen Preisverfall. Am 9. August fiel der Goldpreis vorübergehend um rund 100 US-Dollar, wie die Großbank BNP Paribas berichtet. Grund dafür war eine Verkaufsorder mit einem Volumen von rund 4 Milliarden US-Dollar. Dies sei an sich schon ein ungewöhnlich hoher Betrag für den Goldmarkt, aber der Zeitpunkt an einem Montagmorgen verstärke den preisdämpfenden Effekt, schreibt die Pariser Bank. An einem Montagmorgen sind die Orderbücher ohnehin ausgedünnt. Darüber hinaus war der Tag in Singapur und Japan ein Feiertag. Menschliches Versagen, etwa wenn sich ein Händler bei einem Auftrag vertippt, sei „praktisch ausgeschlossen“, erklärt BNP Paribas. Ein solcher „Fettnäpfchen-Handel“ macht normalerweise schnell die Runde im Markt.
Dimitri Speck vermutet eine Manipulation des Goldpreises durch Banken
Angesichts einer ungünstigen Verkaufszeit am Montagmorgen, wenn nicht viel Gold gehandelt wird. „Kein erfahrener Marktteilnehmer, der an einer guten Ausführung interessiert ist, wird zu solchen Zeiten einen großen Verkaufsauftrag erteilen, weil er mit einer schlechten Ausführung rechnen muss“, sagt Speck. Anders verhält es sich bei jemandem, der den Preis manipulieren will. Auf einem Markt mit geringen Umsätzen ist es am einfachsten, den Goldpreis zu drücken.
Selbst inmitten der Zypernkrise am 15. August 2013 sei der Goldpreis in einem dünnen Markt abrupt eingebrochen, sagt er. „Den Bankkunden sollte die Botschaft vermittelt werden, dass sie auch bei Gold Verluste riskieren und ihr Geld auch bei den Banken lassen können“, sagt Speck. Ein Bank-Run in anderen Ländern solle verhindert werden, sagt er. Damals enteignete die zypriotische Regierung alle Sparer um einen höheren einstelligen Prozentsatz ihrer Kontoguthaben. Medienberichten zufolge mussten einige Bankkunden einen noch höheren Prozentsatz zahlen.
Laut Dimitri Speck lassen sich die Preisinterventionen auch statistisch nachweisen und verdichten die Annahme, dass der Goldpreis unter Manipulationsverdacht steht. Vom 5. August 1993 bis in die 2010er Jahre sei der Goldpreis im Durchschnitt immer zu einer bestimmten Tageszeit gefallen, erklärt der Finanzanalyst. Obwohl diese statistische Anomalie in den Daten der letzten Jahre nicht mehr auftaucht, geht Speck davon aus, dass die Interventionen weitergehen. Dennoch könne der Goldpreis nicht unbegrenzt gedrückt werden, sagt er. „Die Zentralbanken bringen kein physisches Gold mehr auf den Markt“, erklärt Speck. Er geht auch davon aus, dass die Banken die Zinssätze weiterhin niedrig halten werden, damit Staaten und andere Schuldner ihre Raten bedienen können. Zinsen, die unter der Inflationsrate liegen, werden Sparer in Gold treiben, sagt Speck voraus.
Ebenfalls am 9. August verstärkten Stop-Loss-Aufträge laut der Website von BNP Paribas zunächst den Preissturz von Gold. Auf diese Weise sichern sich die Anleger gegen Preisrückgänge ab: Fällt der Preis unter eine vorher festgelegte Schwelle, wird der Vermögenswert verkauft. Dies führte zu Kaskadeneffekten, da weitere Verkaufsaufträge auf den Markt kamen. Dennoch erholte sich der Kurs schnell wieder, weil andere Anleger zum gefallenen Preis kauften.
Speck sieht in den manipulierten Preisen eine Chance. Zwar sei die Aussicht, dass der Goldpreis über die Terminmärkte manipuliert werden kann, für die Anleger beunruhigend, sagte er. Aber fallende Preise machen den Einstieg billiger. „Anleger können das Wissen um diese Manipulationen nutzen und ihre Goldposition aufstocken.“
(FW)